„Kinder und Narren sagen die Wahrheit“ heißt ein altes Sprichwort. Aber ist ihre Wahrheit auch willkommen? Überall an unseren Wänden erscheinen rätselhafte Zeichen: An Häusern, Brückenpfeilern, Haltestellen, auf Zügen, Schulbänken und Klotüren. „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“ schimpfen die meisten und wollen die „Graffiti – Schmierereien“ schnell wieder entfernen.

Als der Bibel-König Belsazar mit seinem Hofstaat an prachtvoll gedeckten Tischen saß, erschienen sie zum ersten Mal: Menetekel – rätselhafte Zeichen an der Wand. Keiner der Schriftgelehrten war in der Lage, die wie von Geisterhand geschriebenen Buchstaben an der Wand des Palastes zu entziffern. Der Prophet Daniel aber erkannte darin die Ankündigung vom Untergang des Reiches Babylon. „Gewogen und für zu leicht befunden“ – so übersetzte er die Zeichen der Zeit. Der Maler Rembrandt hielt diese Szene in einem berühmten Gemälde fest: Das Gastmahl des Belsazar

Rembrandt 600


Narrenhände: Das Projekt in der Presse:

Von der Bibel an die Wand

Das Projekt „Narrenhände“ schlägt den Bogen von der „Schrift an der Wand“ zu aktuellen Bremer Graffiti
Heinz Erhardt legt den Kopf schräg, lächelt sein Schelmenlächeln und droht mit dem Zeigefinger: „Don’t do Graffiti“ steht in mahnenden Blockbuchstaben darunter. Michael Zachcial hat das Wandkunstwerk in irgendeinem Bremer Winkel fotografiert, jetzt ist es mit gut 200 ausgewählten anderen Streetart-Repros in der hiesigen Stadtbibliothek zu sehen. Für das Projekt „Narrenhände“ hat Zachcial systematisch ganze Stadtteile abgeklappert und etwa 1.000 „Zeichen“ dokumentiert. (taz)

Die Zeichen an der Wand

Einen ganz eigenen Blick auf die Stadt hat Michael Zachcial. Unter dem Titel „Narrenhand“ stellt er in der Zentralbibliothek Graffiti aus und zeichnet ein Bild von Bremen, das nicht leicht zu entschlüsseln ist.

„Kunst ist Kommunikation“, sagt Michael Zachcial. Er steht unter einem grünweißen Banner am Eingang der Zentralbibliothek. Antirassistische Werder-Fans von Racaille Verte haben es gestaltet. Die sogenannten Ultras sorgen während der Spiele für Stimmung, begleiten ihren Verein so oft es geht und fallen im Stadion mit kreativen Aktionen auf. „Auch Fankultur ist für mich künstlerische Performance“, sagt Zachcial. (Weser-Kurier)

Bremen ist nicht Babylon: Interview mit der taz

taz: Herr Zachcial, Bremen ist nicht Babylon. Warum nennen Sie Ihr Graffiti-Projekt „Menetekel“ – als ob hier statt Herrn Böhrnsen König Belsazar auf dem Thron säße?

Michael Zachcial: Als damals im alten Babylon bei König Belsazars Gastmahl die rätselhaften Buchstaben an der Wand erschienen, saßen dort die Mächtigen genauso zu Tische wie heute in Bremen beim Schaffermahl. Auch sie können nicht verhindern, dass an den Wänden plötzlich Zeichen auftauchen, die sie ärgern oder sogar erschrecken. Und sie können sie genauso wenig deuten. (taz)